Anspruchsvolle Zeit

Wow, ich hätte nie gedacht, dass ich mal so etwas wie jetzt erleben werden. Bestimmt teilen viele Menschen diese Meinung. Corona trifft alle Menschen, jeder hat neben Corona noch andere Sorgen, Probleme oder Herausforderungen in seinem Leben. Ich habe schon von vielen Menschen gehört, wie sie mit dieser Situation umgehen; ältere Menschen, kranke Menschen, Eltern, Schwangere, Menschen aus dem Gesundheitswesen, Menschen im Verkauf, etc. Sie sind besorgt, bedrückt, verängstigt, verunsichert und noch vieles mehr. Wie geht es all jenen, die wegen des nicht erfüllten Kinderwunsches am Trauern sind?

Ich kann nur über mich schreiben und denke, dass es vielen anderen Frauen gleich ergeht oder sie ähnliches oder noch schwierigeres durchleben. Mit dem Alleinsein habe ich schon seit längerem Probleme. Wenn ich z.B. Ferien habe und mein Mann arbeiten muss in dieser Zeit, ist das schwierig für mich. Verbringe ich viele Stunden alleine, beginnen meine Gedanken zu kreisen und ein Tief bahnt sich an. Daher habe ich es mir angewöhnt, einiges in diese Tage einzuplanen; Freunde treffen, Eltern besuchen, ein Projekt anpacken, mehr Sport machen, etc. Meistens gelingt es mir inzwischen gut, so viel Zeit wie nötig zu verplanen. Aber tagsüber müssen viele arbeiten. Daher bin ich dann manchmal doch viel Zeit alleine. In meiner Trauer bin ich soweit, dass ich merke, wann sie beginnt. Dann versuche ich möglichst viel Kontakt mit Menschen zu haben, in die Natur zu gehen oder etwas zu machen, dass mir ein Glücksgefühl verleiht. Das ist bei mir das Nähen. In schwierigen Zeiten nähe ich sehr viel. Meine Nähkünste sind inzwischen schon ziemlich gut geworden. Es entstehen Mäntel, Jacken, Shirts, Tops, Pullover, Blusen, etc. Während Ferienzeiten stöbere ich gerne in Stoffläden und suche im Internet nach neuen Schnittmustern. Das Nähen hat für mich etwas heilsames. Ich kann mich in Projekte vertiefen und dabei manchmal die Trauer beiseite schieben. Gleichzeitig entsteht etwas, das mich immer wieder stolz und glücklich macht. Im Scherz nenne ich es manchmal "therapeutisches Nähen".

Die momentane Situation ist eine grössere Herausforderung als Ferien. Mein Mann geht tagsüber arbeiten und somit habe ich viel Zeit zu Hause, wirklich zu Hause. Im Moment meistere ich die Situation noch ziemlich gut. Mein Beruf ermöglicht es mir von zu Hause aus sehr aktiv zu sein und viel Kontakt mit anderen Menschen zu haben. Morgens stehe ich mit meinem Mann auf, dusche, frisiere und schminke mich und ziehe mich an. Im Moment scheint mir eine Struktur während des Tages sehr wichtig zu sein. Zum Glück leben wir in der heutigen Zeit. Die Videotelefonie ist meine persönliche Rettung. Für mich ist es überhaupt nicht dasselbe wie telefonieren. Die Menschen sehen zu können ist noch wohltuender. Sobald ich merke, dass ich mich einsam fühle, rufe ich jemanden an. Anfangs hat es ein wenig Überwindung gekostet, inzwischen fällt es mir leicht. Zu Mittag esse ich meisten mit meinen Eltern, über eine Videokonferenz mit dem Programm Zoom. Vor Corona habe ich meine Eltern nicht so oft gesprochen. Ich geniesse den regelmässigen Kontakt mit ihnen. .

An Tagen, an denen ich weniger zu tun habe, beginnen meine Gedanken zu kreisen. Mich an solchen Tagen nicht runterziehen zu lassen ist anstrengend. Dass die momentane Situation auch noch verunsichert ist dabei nicht hilfreich. Ich sorge mich um meine Eltern und um meinen Mann, der sich täglich einem Risiko aussetzen muss. Wir gehören nicht zur Risikogruppe, aber das alleine gibt mir noch keine Ruhe. Wie geht es weiter? Wann wird es vorüber sein? 

Die Welt scheint gerade kein schöner Ort zu sein. Nach wie vor hätte ich gerne Kinder gehabt. Aber seit längerem überlege ich mir, ob ich meinen Kindern wirklich eine solche Welt zumuten könnte? Die Ozeane und Gewässer sind verschmutzt, die Korallenriffe sterben, es wird enger, Insekten sterben, Lebensmittel sind belastet, usw. Das schöne in der Welt und in meinem Leben kann ich sehen und geniessen und doch mache ich mir viele Gedanken um unsere Welt... und jetzt noch eine Pandemie! Wie ergeht es wohl Eltern? Welche Gedanken machen sie sich?